Quantencomputer zum Einsatz bringen

Quantencomputer sind noch nicht technisch ausgereift, der aktuelle Stand erfordert eine Nachkalibrierung und Neuausrichtung. Um die Systeme zu stabilisieren, haben Forscher am Leibniz-Rechenzentrum Strategien und Referenzwerte entwickelt, um diese Aufgabe zu automatisieren.

Zwei Quantum Processing Units (QPU) auf Basis von supraleitenden Materialien sind im Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) installiert. Das eine bietet fünf Quantenbits oder Qubits, das andere 20. Diese zentralen Recheneinheiten des Quantencomputings werden in supraleitenden Schaltkreisen aus Elektronen realisiert und durch Mikrowellenimpulse angeregt, ihren Zustand zu verändern und sich miteinander zu verschränken, um Berechnungen auszuführen. Quantenprozessoren auf Basis supraleitender Schaltkreise sind einfach zu betreiben, doch wie alle Quantentechnologien ist auch diese noch anfällig für Rauschen in den Schaltkreisen. Das wiederum führt zu Ungenauigkeiten beim Rechnen. Fehler können außerdem entstehen, weil sich physische Merkmale der Hardware mit der Zeit verändern: „Es gibt noch keine fehlertoleranten Quantencomputer“, stellt LRZ-Forscher Dr. Xialong Deng fest. „Alle Systeme werden als Noisy Intermediate Scale Quantum- oder NISQ-Systeme klassifiziert, weil sie zu erheblichen Fehlerraten neigen und im Gegensatz zu klassischen Computern über keine Fehlerkorrektur verfügen.“

Leistungsmerkmale und Automatisierung

Für Zuverlässigkeit und Genauigkeit beim Rechnen müssen Quantencomputer folglich immer wieder kalibriert werden: ein komplexer, mehrstufiger Prozess, der in Forschungslaboren manuell bewältigt wird. Doch Rechenzentren wie das LRZ machen nun die ersten Quantentechnologien einer breiteren Nutzergemeinschaft zugänglich und wollen sie zudem als Beschleuniger von Hochleistungsrechnern testen und einsetzen. Langwierige Anpassungen sind im täglichen Betrieb aufwändig und teuer. Daher hat das LRZ in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München (TUM) sowie IQM Quantum Computers, dem Hersteller der beiden QPU, Grundlagen für den Einsatz der Zukunftstechnologie geschaffen: „Neben einheitlichen Standards zur Leistungsbewertung von Quantencomputern haben wir einen automatisierten Prozess zur Kalibrierung definiert und etabliert“, berichtet Deng. „Die Ergebnisse können auf 20-Qubit-QPU mit supraleitenden Schaltkreisen übertragen werden, die grundlegende Idee dahinter gilt auch für Quantensysteme auf Basis von Ionenfallen und neutralen Atomen.“ Auch solche Systeme werden am LRZ derzeit erkundet, um Wissenschaftler:innen damit arbeiten zu lassen. Die Forschungsergebnisse werden während der ISC High Performance-Konferenz, die in diesem Jahr vom 12. bis zum 16. Mai in Hamburg stattfindet, in dem von Fachleuten begutachteten Beitrag „Calibration and Performance Evaluation of a Superconducting Quantum Processor in an HPC Centers“ vorgestellt.

Rechnen, Simulieren, Vergleichen

Die Gruppe hat zunächst den 5-Qubit-Prozessor auf Herz und Nieren geprüft und anhand bewährter Messwerte die Kohärenzzeiten, Gate-Treue sowie die Auslese-Treue beschrieben. Diese Werte geben an, wie lange Qubits stabil bleiben, wie zuverlässig Quantengatter oder Operationen ausgeführt werden und schließlich die Fehlerrate in den Ergebnissen. Im Gegensatz zu klassischen Computern arbeiten Quantensysteme nicht mit elektronischen Schaltkreisen und den Werten 0 und 1, sondern mit quantenmechanischen Zuständen und in mehrdimensionalen Rechenräumen. Damit lassen sich komplexere Probleme wie etwa die Modellierung von Molekülen und Proteinen oder die Faktorisierung großer Zahlen schneller lösen. Doch noch steckt diese Zukunftstechnologie in der Entwicklungsphase und muss im täglichen Einsatz optimiert werden. „Es gibt noch keine einheitliche Methode, um die Gesamtqualität eines Quantencomputers zu berechnen. Um die Leistungen bewerten zu können, legten wir daher Standard-Quantenbenchmarks fest“, erläutert LRZ-Forscher Deng. Anschließend absolvierte die QPU erste bekannte Quanten-Algorithmen, die zum Vergleich außerdem auf einem der Quanten-Simulatoren des LRZ ausgeführt wurden.

Die so erhaltenen Werte bilden nun die Grundlagen für den automatisierten Kalibrierungsprozess, außerdem für Maßnahmen zur Fehlerkorrektur: Fallen festgelegte Metriken unter eine bestimmte Grenze, wird der Kalibrierungsprozess ausgelöst. Die dazu notwendigen Steuerungsmaßnahmen programmierte die Arbeitsgruppe mit Hilfe von Cron-Jobs in einem Python-Skript an einem klassischen Computer. „Mit steigender Anzahl von Qubits wird der Kalibrierungsaufwand immer anspruchsvoller“, nennt Deng eine Erfahrung. Den Prozess nun auch für die 20-Qubit-QPU zu optimieren und auf weitere Quantentechnologien zu übertragen, werden die nächsten Schritte sein.

Mehr Information:

LRZ @ ISC: https://www.isc.lrz.de/
Qantencomputing @ LRZ: https://www.quantum.lrz.de/de/bits-von-qubits/detail/quantum-computing-from-music-of-the-future-to-everyday-rhythm
Integration von Quantenprozessoren ins HPC: https://www.quantum.lrz.de/de/bits-von-qubits/detail/quantencomputer-im-hoechstleistungsrechner-ein-whitepaper
Quantum computing mit supraleitenden Materialien: https://www.munich-quantum-valley.de/de/forschung/konsortien/sqqc
Quantencomputing mit Ionen-Fallen: https://www.quantum.lrz.de/de/bits-von-qubits/detail/quantensystem-auf-basis-von-ionenfallen-fuers-munich-quantum-valley

Get Connected: Das LRZ in den Sozialen Medien