„Wir nutzen HPC-Simulationen zur Evaluierung unserer Quantenhardware“

Am Leibniz-Rechenzentrum sind verschiedene Quantensysteme installiert. Simulationen helfen dabei, Quantenalgorithmen zu entwickeln, aber auch die Leistungen von Quantenhardware zu testen und zu verstehen: Das sind wichtige Vorarbeiten, um diese Zukunftstechnologie in den Alltag von Forschung und Wissenschaft zu bringen.

Studieren und Simulieren: Quantencomputer sollen einmal Probleme berechnen und lösen, die klassische Rechner noch nicht oder deutlich langsamer bewältigen. In den letzten Jahren wurden am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) Quantensysteme auf Basis von Supraleitern und Ionenfallen installiert. Diese werden nun umfassend ausprobiert und überprüft. Dabei spielen Simulationen eine große Rolle: „Konzepte wie Überlagerung, Messungen und Verschränkung können damit untersucht werden“, sagt Mario Hernandez Vera, der in physikalischer Chemie promovierte und nun im LRZ Quantencomputing-Team (QCT) Algorithmen und Applikationen entwickelt. „Wir nutzen Quantensimulationen auch dazu, um unsere Quanten-Hardware zu evaluieren.“ Ohne die Simulationen an klassischen (Super)Computern könnte die Zukunftstechnologie nicht in den Alltag von Forschenden gebracht werden: So können erste Applikationen entstehen, noch bevor die neue Technologie genutzt werden kann. Mit Simulationen lassen sich auch die Leistungswerte von Quantensysteme vergleichen und optimieren oder innovative Steuerungsmethoden entwickeln. Das LRZ-Team Quantum Computing und -Technology (QCT) simuliert dabei nicht nur mit Quapitiva, einem Quantensimulator von Eviden, sondern auch mit den High Performance Computern (HPC) sowie den AI-Systemen des LRZ, hoffentlich bald auch am neuen SuperMUC-NG Phase 2 (SNG-2). Zum Einsatz kommen außerdem unterschiedliche Softwareplattformen und Programme. 

Warum werden Quantenalgorithmen und Quantenschaltungen simuliert?
Dr. Mario Hernandez Vera: Die Simulation von Quantenschaltungen mit klassischen Computern bietet einen alternativen Ansatz zur Ausführung und Untersuchung von Quantenalgorithmen. Am LRZ helfen Simulationen den Studierenden und Forschenden, die Prinzipien der Quanteninformatik durch numerische Experimente zu begreifen. Folglich können komplexe Konzepte wie Überlagerung, Messungen und Verschränkung erforscht werden. Außerdem werden unsere Simulatoren für die Ausbildung am LRZ genutzt, wo Studierende und Forschende in neue Architekturen und Algorithmen eingeführt werden. Diese Werkzeuge ermöglichen es auch erfahrenen Wissenschaftlern, neue Quantenalgorithmen oder Fehlerkorrekturmodelle zu entwickeln. Das tun wir auch im QCT-Team am LRZ – wir nutzen HPC-Simulationen, um die Leistung unserer Quantenhardware zu evaluieren, ihre technischen Metriken zu vergleichen oder Workflows für die QPUs zu entwickeln und zu testen, zum Beispiel die regelmäßig notwendige Kalibrierung der Systeme. Unsere Aktivitäten werden in erster Linie von unserer Quantencomputing-Community vorangetrieben, für die wir die ersten neuartigen Dienste in diesem Bereich anbieten. Derzeit kommen unsere Nutzer hauptsächlich aus den Partnerinstitutionen des Munich Quantum Valley oder MQV und aus den geförderten Projekten, in denen wir gemeinsam arbeiten. Wir erhalten jedoch auch Anfragen zur Zusammenarbeit und Unterstützung von Wissenschaftlern und Institutionen außerhalb unserer Netzwerke.

Wie wichtig sind diese Simulationen für die Integration von Quanten- in die Supercomputer des LRZ? 
Hernandez Vera: Die Integration des Quantencomputings in HPC-Systeme erfordert eine komplexe Infrastruktur. Unser Hauptziel im QCT-Team ist es, allen Benutzern eine sichere und effiziente Verbindung mit den Quantencomputern zu ermöglichen. Aber wir stellen auch Tools wie numerische Optimierer, externe Bibliotheken und natürlich Simulatoren zur Verfügung, die es den Nutzerinnen ermöglichen, auch dann aktiv zu sein, wenn die Quantenhardware einmal nicht verfügbar ist. Da es sich um eine neue Technologie handelt, ist die derzeitige Anzahl von Quantencomputern im LRZ begrenzt. Durch die Bereitstellung von HPC-Simulationen von Quantenschaltungen können wir es einer größeren Anzahl von Usern ermöglichen, Quantenalgorithmen zu erforschen und diese Algorithmen zu testen und zu validieren, bevor sie Zugang zu Quantenhardware haben. Auf den Rechenressourcen des LRZ können Nutzerinnen größere Schaltungen effizienter prototypisieren als sie das auf ihren eigenen Computern bearbeiten könnten.

Welche Systeme können am LRZ für die Simulation von Quantenalgorithmen verwendet werden?
Hernandez Vera: Das QCT-Team arbeitet an der Bereitstellung von Software-Simulatoren auf verschiedenen Plattformen. Im Moment bereiten wir den Zugang zu einem Portfolio von Software-Simulatoren für den SuperMUC-NG Phase 1 vor. Für den internen Gebrauch lassen wir Quantensimulationen auch auf den KI-Systemen des LRZ laufen, und wir werden bald mit dem neuen, mit GPU ausgestatteten SNG-2-System experimentieren. Außerdem haben wir mehrere spezialisierte Simulatoren von Eviden, die mit dem Qaptiva-Paket arbeiten, mit dem man Algorithmen auf Systemen mit bis zu 38 Qubits simulieren kann.

Beobachtet ihr Unterschiede bei der Leistung, wenn die Simulatoren in verschiedenen Clustern laufen? 
Hernandez Vera: Zwei verschiedene Simulatoren weisen in der Regel unterschiedliche Leistungen auf, wenn sie denselben Quantenalgorithmus auf identischer Hardware ausführen. Diese Unterschiede hängen mit verschiedenen Faktoren zusammen, etwa mit Programmiersprachen wie C++, Python, Rust, oder der Compiler-Optimierung, dem Design des Simulators und der Zielhardware, beispielsweise Intel-CPU, NVIDIA- oder AMD-GPU. Einige klassische Simulatoren können gut auf bestimmte Maschinen in unseren Clustern zugeschnitten oder sogar dafür optimiert werden. Die Software Qaptiva funktioniert im Eviden-Cluster sehr gut und eignet sich vor allem für Einsteiger. Der Intel Quantum Simulator ist besser kompatibel mit Intel-CPU, kann aufgrund seiner MPI- und OpenMP-Fähigkeiten in SuperMUC-NG installiert werden, erfordert aber einige HPC-Vorkenntnisse. Darüber hinaus haben wir GPU-basierte Simulatoren wie CUDA Quantum von NVIDIA getestet, die auf den KI-Systemen des LRZ besser funktionieren.

Welche Rolle spielen Softwarepakete oder Plattformen wie Quiskit, Cirq oder Pennylane bei der Simulation?
Hernandez Vera: Diese Pakete dienen dazu, ein bestimmtes Problem wie zum Beispiel die Simulation der elektronischen Struktur eines realen Moleküls, in die dafür erforderliche Quantenschaltung zu übersetzen. Die Quantenschaltung wird dann in dem vom jeweiligen Paket bereitgestellten Simulator ausgeführt. Obwohl theoretisch in jedem Paket identische Quantenschaltungen implementiert werden, können verschiedene Faktoren wie Dokumentation, Benutzeroberfläche oder API die Präferenzen der Benutzerinnen beeinflussen. Daher bemühen wir uns, die beliebtesten Quantensoftwarepakete und 
-Simulatoren anzubieten.

Wie schwierig ist die Simulation? Wie funktioniert sie? 
Hernandez Vera: Das hängt von dem mathematischen Modell ab, das in einer Simulation verwendet wird, außerdem von dem Quantenalgorithmus, der implementiert wird. Der wahrscheinlich einfachste Fall ist die ideale Zustandsvektorsimulation, bei der Rauschen und Messungen nicht berücksichtigt werden. In diesem Fall wird eine Reihe von Quantengattern, die als Matrizen beschrieben werden können, auf einen als Vektor dargestellten Quantenzustand angewendet. Der Zustandsvektor ändert sich nach jeder Gatteroperation. Wurden alle Operationen durchgeführt, enthält der resultierende Zustandsvektor Informationen, die zur Extraktion nützlicher Daten verwendet werden können, wie beispielsweise Erwartungswerte im Zusammenhang mit physikalischen oder chemischen Systemen.

Was sind die Herausforderungen bei der Simulation von Quantenschaltungen?
Hernandez Vera: Simulatoren können das gleiche Problem mit unterschiedlichen mathematischen Methoden und Algorithmen lösen. So beruhen beispielsweise Zustandsvektor- oder Dichtematrix-Simulationen im Wesentlichen auf Matrixmultiplikationen, um die Ausführung des Quantenalgorithmus zu beschreiben. Eine Herausforderung bei den oben genannten Methoden besteht darin, dass die Größe der Matrizen und Vektoren exponentiell mit der Anzahl der Qubits wächst, was in der Regel der Größe des zu lösenden Problems entspricht. Andere Simulatoren verwenden andere Methoden, wie etwa Tensor-Netzwerke, die eine Komprimierung der Quanteninformation ermöglichen, wodurch Rechenressourcen eingespart werden, wobei jedoch ein weiteres Problem auftritt, nämlich dass die Simulationszeit sehr schnell mit der Größe des Problems wachsen kann. Daher ist die Simulation von Quantenschaltungen selbst für Supercomputer eine schwierige Rechenaufgabe. Darüber hinaus sind realistische Quantensimulationen auch mit anderen Problemen verbunden, beispielsweise mit der Einbeziehung von Modellen zur Berücksichtigung von Rauschen und Messungen der Quantenschaltung.

Ihr arbeitet mit dem Variationsalgorithmus – warum und wofür sind die gut?
Hernandez Vera: Der VQA wurde entwickelt, um Optimierungsprobleme mit einem hybriden Ansatz zu lösen, bei dem also klassisches und Quantencomputing beteiligt sind. Der Quantencomputer führt einen parametrisierten Quantenschaltkreis aus, der den Vorteil hat, einen großen Lösungsraum für eine komplexe Zielfunktion zu erforschen, und dessen Parameter iterativ durch einen klassischen Optimierer verbessert werden. Dieser Algorithmus wurde als potenzielle Lösung für die effektive Nutzung aktueller Quantencomputer vorgeschlagen, die als NISQ- oder Noisy Intermediate-Scale-Quantencomputer bekannt sind und bei denen die Skalierung der Rechenleistung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Fehlertoleranz immer noch eine Herausforderung darstellt. Außerdem ist der VQA bei den Nutzern sehr bekannt, da er für Simulationen vieler physikalischer Probleme eingesetzt werden kann.

Was ist der Variational Quantum Eigensolver und warum braucht man ihn?
Hernandez Vera: Der Variational Quantum Eigensolver oder VQE fällt in die Kategorie der Variationsalgorithmen, die sich durch ihre Nützlichkeit bei der Berechnung der Grundenergie von Atomen, Molekülen und anderen Quantensystemen auszeichnen. Die Bestimmung der Grundenergie ist entscheidend für das Verständnis realer physikalischer Systeme. Das Erreichen einer hohen Präzision bei der Berechnung dieser Eigenschaft stellt für klassische Computer eine Herausforderung dar. Allerdings kann die Implementierung von VQE auf Quantenhardware eine Herausforderung darstellen, insbesondere wenn die Komplexität der simulierten physikalischen Probleme zunimmt, wie es bei Problemen der Quantenchemie zu erwarten ist.

Am LRZ sind Quantensysteme auf der Basis von Supraleitern und Ionenfallen installiert. Können auch die Schaltungen auf verschiedenen Quantentechnologien simuliert werden?
Hernandez Vera: Verschiedene Quantenplattformen unterscheiden sich darin, wie sie Qubits und Quantengatter in der Hardware implementieren. Normalerweise sind sich die Benutzer dieser Unterschiede nicht direkt bewusst. Stattdessen bereiten sie Quantenschaltungen vor, die von einem Software Development Kit auf die spezifischen nativen Gatter der Quantenhardware abgebildet werden. Dieses Mapping beinhaltet auch eine Optimierung der Schaltungen, um die Simulationsgeschwindigkeit zu erhöhen. Bestimmte Simulatoren, wie die, die in den Paketen Qiskit und Pennylane integriert sind, bieten die Möglichkeit, bestimmte Arten von Hardware zu simulieren, einschließlich bestimmter Qubit-Konnektivität und Rauschmodelle. So könnte man theoretisch durch Simulationen untersuchen, ob eine bestimmte Anwendung auf einer bestimmten Architektur effizienter läuft. Die Benutzer können sogar ein Modell erstellen, das eine neue Architektur beschreibt. Dabei sollte bedacht werden, dass alle Simulationen auf Modellen basieren. Um Unterschiede in der realen Hardware zu erkennen, muss man sich folglich auf die Dokumentation der Hersteller beziehen und Benchmark-Studien zur Hardwareleistung durchführen.

Mehr Informationen:

Quantensimulator Eviden: https://doku.lrz.de/atos-qlm-10745934.html
 

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